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In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Das eine ist die Vision im Kopf und gefühlt schon durchs Ziel zu laufen. Das andere, diese umzusetzen. Seitdem ich beschlossen habe, professionell zu laufen, geht nicht mehr: Schuhe an und los. Und wenn man halt keine Lust mehr hat, einfach wieder zurück. Zwischendurch auf der Mauer sitzen und Schiffe schauen.
Ab jetzt muss der Herzschlag geprüft werden, so mein Physiotherapeut. Und das richtige Schuhwerk muss her. Eine angemessene Sportbekleidung und -ausrüstung dürfen selbstverständlich auch nicht fehlen. Ganz plötzlich habe ich nur noch beratende Laufprofis um mich herum. Atmungsaktiv, ein Wort, welches ich zu meinem Wortschatz hinzugefügt habe. Und obendrauf: Wind- und Regenschutz und noch mehr Kleidung für all das, was das Wetter so zu bieten hat. Laufen alleine geht plötzlich auch nicht mehr. Ich benötige Ausgleichsport: für die Kraft, für die Beine und überhaupt. Meine Ernährung ist suboptimal. Immerhin habe ich einen Pluspunkt: Mein Ruhepuls bewegt sich zwischen 70 und 75. Das heißt laut Google: Ich bin nicht ganz so schwach auf der Brust.

Das ist kein einfaches am Rhein laufen mehr, sondern wächst zu einer echten Herausforderung heran. Ich kann jetzt nicht mehr wie Rocky in ollen Jogging-Klamotten durch die Gegend laufen und oben auf der Treppe ein wenig in der Luft rum boxen und triumphierend die Arme in die Höhe werfen.  Wenn ich mir das vorstelle: ich oben auf der kleinen Treppe im Rheinpark, muss ich laut lachen. Aber eins habe ich mit doch Rocky gemeinsam. Ich stelle mich einer Herausforderung, in die ich – wenn ich all meinen Optimismus und kindlichen Größenwahn zusammennehme – reinwachsen muss.

Für den Anfang ersetze ich meinen persönlichen Motivation-Song: Dancing Queen gegen Eye Of The Tiger. Schmeiße alle meine Element of Crime Lieder aus der Playlist und drehe ab sofort  leichtfüßig meine Runden im Rheinpark – ohne Mauer und Schiffe.  🙂

 

Schuhe an und los.

Und da war sie, meine erste Trainingsstunde. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung davon, was auf mich zukommt und war so aufgeregt, dass ich den Trainer direkt mal voll gequatscht habe. Reden lenkt mich ab (und ich lenke den anderen, das meine allerdings nur ich, von meiner Aufregung ab) und fördert ausschließlich meine Konzentration. Nicht seine. Der Gegenüber ist irgendwann genervt oder überfordert. Zum Schluss wurde ich ruhiger, konnte auch vieles mitmachen und verstehen. Am Ende habe ich die erste Stunde ohne große Pleiten überstanden.

Zwischendurch konnte ich mir sogar vorstellen, dass ich es auch wirklich schaffen könnte, meine Idee mit New York. Vielleicht ist es in zwei Jahren auch gar nicht mehr so wichtig und geht es mir dabei, sowie mit meiner Idee: Italien.

> Während der Chemo gab es nur einen einzigen Strohhalm für mich: Italien. Ich stellte mir immer wieder vor, wie ich im Herbst 2019 mit einem dreirädrigen italienischen Gefährt durch die  Toskana düse. Ich sah mich damit auf den Straßen zwischen Siena, Florenz, Pisa und Carrara hin und her fahren. Ich sah die Baum-Alleen, die Sonne in Lucca untergehen, das Meer und spürte das italienische Leben. Ohne diesen Strohhalm – ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte! <

Jetzt könnte ich es wirklich tun und was ist? Je näher ich dieser Möglichkeit der Umsetzung komme, umso weiter schiebe ich sie vor mir her.

Einen Tag nach dem ersten Training erhielt ich den Trainingsplan. Zack war ich auf dem Boden der Tatsachen.

Mein Trainingsplan für die nächsten Wochen:

1 x Yoga 1 x Ergobike oder Crosstrainer (45 Min.) 3 x Power Walking (8, 10 und 12 km), gespickt mit Laufphasen (siehe nachfolgende Angaben)

1. Woche:
je 5, 5, 5 Minuten Laufphase (aber erst nach der 15. Minuten Power Walking)
2. Woche:
je 5, 5, 6 Minuten Laufphase (aber erst nach der 15. Minuten Power Walking)
3. Woche:
je 5, 6, 6 Minuten Laufphase (aber erst nach der 15. Minuten Power Walking)
4. Woche:
je 6, 6, 6 Minuten Laufphase (aber erst nach der 15. Minuten Power Walking)
5. Woche
je 10, 15, 15 Minuten Laufphase (aber erst nach der 15. Minuten Power Walking)
6. Woche
je 15, 20, 15 Minuten Laufphase (aber erst nach der 15. Minuten Power Walking)

Meine erste alleinige Proberunde habe ich bereits hinter mir und JA!:
Das wird eine echte Herausforderung. Mein ganzer Optimismus schwand  dahin.

Anstelle von 8 km schaffte ich reale 6,57 km. Gemessen per GPS! Laut Laufuhr (gemessen per Schritte) schon um die 10 km  und laut Handy  (gemessen per Schritte) so um die 8 km.  Ansonsten ging es so gerade eben. Aber wie ich die 12 km schaffen soll? Keine Ahnung. Vielleicht einfach nach der Laufuhr laufen :-). Das Trainingsziel des Trainers: reine Utopie.
Bei der Trainingsstunde habe ich es geschafft eine Leichtigkeit in meinem Laufschritt einzubauen und dachte noch, so kriege ich das hin. Gestern lief ich wie ein Elefant und anstatt nach dem Himmel zu streben und aufrecht zu laufen, war ich fest mit der Erde verwurzelt. Aber ich stresse mich jetzt nicht mehr mit meinem dämlichen Perfektionismus, obwohl ich diese Vorgaben schon in meinem Terminkalender detailliert eingetragen habe. So bin und kenne  ich mich! Orga, das bin ich! Jetzt muss ich nur noch schauen, wie ich meinen Plan New York umgesetzt bekomme.  So geht es jedenfalls nicht. Ich benötige ein angepasstes Training für mich.
Ein Training für eine 54-jährige Frau mit etwas zu großen Ambitionen.

Italien, meine Leichtigkeit.

Meine Liebe zu Italien ist seit Jahrzehnten eine Herzens-Liebe.  Nach meinem Abitur habe ich eine Ausbildung als Rahmenbauer und Vergolder in einem alt eingesessenen Kunsthaus mit eigener Vergolder-Werkstatt begonnen. Der Plan war, nach der Ausbildung als Restauratorin und Vergolderin nach Italien zu gehen. Nach 1 1/2 Jahren musste ich die Ausbildung abbrechen, weil ich auf all die gesundheitsschädlichen Farben und Mittel, die in der Werkstatt offen herumstanden, allergisch reagierte. Gleichzeitig flog mir mein Leben um die Ohren.
Was übrig blieb, war die Liebe zu Italien, zu alten Schinken (also zu alte Gemälde mit pompösen Rahmen), zu dicken Putten und Engelsbildern. Bis heute liebe ich Kitsch, Blattgold und vor allen Dingen Schlagmetall, womit ich über viele Jahre alles Mögliche, am liebsten banale Alltagsgegenstände  (z.B. ein Toilettendeckel für mein Froschklo) vergoldet habe.

Anfang der 90er hatte ich das große Glück, mit einem Kunststudenten, der in Florenz Malerei studierte, für eine längere Zeit dort zu sein und Florenz gelebt und erlebt habe. Diese Zeit war unbeschreibbar leicht und unbeschwert. Wir haben nächtelang bei Wein, Brot und Oliven und natürlich Zigaretten (es waren schließlich die 90er) über die Bedeutung der Bildenden Kunst diskutiert, sind zu dritt oder viert auf einem Mofa  gefahren oder haben wichtigen Blödsinn gemacht. Es gab keine Gedanken an Unfälle, Krankheit oder an die Zukunft. Es gab nur das Jetzt. Daher war es für mich auch völlig selbstverständlich, täglich meine Zeit an der „Fontana del  Porcellino

neben der Loggia del Mercato Nuovo zu verschwenden. Jeden Tag rieb ich dem Ferkel gründlich die blank geputzte Schnauze, legte eine Münze dahinein und hoffte inständig, dass die Münze hinunterfällt und mit dem Wasser wegfließt, damit mir Glück und Geld beschert wird. Das klappte allerdings nur mit den großen Münzen.
Meine Interessen galten auch nicht den langen Touristenschlangen (sich darin einreihen, fanden wir damals total schnöde und profan) vor den Uffizien. Und ob ich den David nun in Original sah oder als Bronzeskulptur war völlig unerheblich. Denn ich kannte schließlich alle wichtigen Törtchen- und Kuchenläden der Stadt, die wenigen Cafés, die Bei & Nannini Kaffee führten  und schloss mit allen möglichen Italienerinnen und Italienern Freundschaft, obwohl ich bis heute kein Wort Italienisch spreche. Sehr gerne widmete ich meine Zeit dem Hofzwerg Braccio di Bartolo der Medicis.

Wir dachten damals, wenn wir eins im Überfluss haben,
dann war es Zeit.

und dementsprechend gingen wir damit völlig frei, unbeschwert und verschwenderisch um. Später, während meiner Ehe, war ich mit meinem Mann oft im Umkreis von Carrara unterwegs. Als Bildhauer arbeitete er in den Marmorwerkstätten, in denen Bildhauer aus der ganzen Welt ihre Skulpturen kreierten, und fertige dort seine Mamorskulpturen an. Einmal saßen wir in Siena in einer völlig überteuerten Touristen Pizzeria, aßen schlechte matschige Pizza und tranken warmen Wein dazu. Dabei wurden wir von einem unglaublichen filmreifen Mond, der neben dem Torre del Mangia aufging, beschenkt, auf dem wir einen direkten Blick hatten. Unbezahlbar!

Auch liebte ich meine Zeit in der Café-Bar „La Perla“ in Marina di Massa. Ich saß dort stundenlang, trank Bei & Nannini Cappuccino, aß Törtchen, las Zeitung, quatschte hier und da mit wem auch immer und schaute dem Barbesitzer zu, wie er nach jedem gemachten Cappuccino voller Stolz mit einem extra weichen Handtuch seine Theke polierte.

Während meiner Chemo habe ich mich oft auf meinem Hinterhof-Balkon, der viel Ähnlichkeit mit einem italienischen Hinterhof -Balkon hat, nach Florenz, Pisa, Siena, Carrara, Lucca, San Gimignano, Marina di Massa, Pietrasanta, Viareggio … gebeamt und die vielen Kleinigkeiten des Glücks und der Leichtigkeit in Gedanken wiederbelebt und -erlebt. Sie leben seit Jahren in mir weiter. Ich habe während der Chemo erkannt, welches großes Glück ich hatte, dass ich all das erleben durfte und nun diese schönen Erinnerungen als Rettungsanker verwenden konnte. Wenn ich die Augen auf meinem Balkon schloss, war ich dort. Wenn ich in meinem italienischen Café in meinem Viertel saß, war ich dort. Auch wenn es nur für kurze Momente möglich war, aber ich war da! In Italien.

Daher lag der Gedanke sehr nahe, sollte ich die Therapie schaffen, dass ich all diese Orte besuchen werde.  Jedoch, desto näher die Zeit rückte, je weniger Lust verspürte ich dazu. Es fühlte sich wie aufgewärmter Kaffee an.  Die Zeiten, die ich dort erlebt hatte, können nicht neu erzwungen werden,  denn sowas passiert, so wie sich verlieben, passiert. Je mehr man es sich wünscht, je unwahrscheinlicher wird es, dass es um die Ecke kommt. Ich bekam Angst, dass sich auf dieser Reise eine Leere breitmachen könnte und all die schönen Erinnerungen mit in den Abgrund reißt. Also habe ich es für dieses Jahr abgehakt. Die Welt ist groß und schön, aber Italien sollte es schon sein. Sardinien ist es geworden. Ein neues Ziel ohne Vergangenheit. So neu wie mein Leben jetzt.

 

Ich war trotzdem da! Und glücklich.


März 2024:
Ich habe meinen Exmann in Carrara besucht, der dort drei Skulpturen kreierte und dort endlich mein heiß geliebtes Atelier mit all den Modellen der vielen Skulpturen fotografieren können.
Ganz klar: Ich war natürlich im La Perla! Haben jedem der es (nicht) hören wollte, meine Geschichte von damals erzählt und von der Bar und meinen vielen Törtchen und Cappuccinos erzählt.
Es war alles anders, auf der einen Seite. An manchen Plätzen ist die Zeit einfach stehen geblieben und es war einfach nur wunderschön. Wie mein Exmann mal zu mir sagte: Du bist Italien. Mit Dir ist man in Italien. Ich war so glücklich an all den Orten: Pisa, Carrara, Lucca,  Marina di Massa und  Pietrasanta. Sie haben ihren Zauber nicht verloren. Zum Schluss habe ich noch in Florenz vorbeigeschaut und gleich mein kleines Ferkel und diesmal auch den richtigen David besucht. Für ihn habe ich mich fast 3 Stunden im strömenden Regen in eine Touristenschlange gestellt. David ist unbeschreiblich!

                                

Krönchen richten.

Laufen alleine reicht nicht, darauf kam ich ja bereits zu Beginn meines Vorhabens und direkt nach dem ersten Training. Der Körper braucht Muskelaufbau, passende Ernährung, einen Ausgleich (Yoga, Physio, Massage, Entspannung), ein ausgewogenes und angepasstes Training und gute Kleidung.

Mein Ziel ist ja auch, es nicht IRGENDWIE zu schaffen, so wie in meiner Vergangenheit: Irgendwie bekam ich die Miete zusammen. Irgendwie die Gelder für das Projekt. Irgendwie den Rechtsstreit vom Tisch. Rückblickend habe ich alles hinbekommen, sogar meine Niederlagen: Hamburg, Scheidung, Gehirntumor, Brustkrebs. Und irgendwie würde ich auch meine 10 km in New York schaffen.

Laut meinem damaligen Freundeskreis war jedoch alles total leicht bei mir. Sie mussten jeden Tag zu einem Job, worauf sie keinen Bock hatten und  ich zog einfach mein Ding durch, hielt mich an keine für sie völlig normale Regeln und machte einfach, wie ich es für richtig hielt, ohne Wenn und Aber. Mag sein, dass es so war – so ist, aber auch Träume leben wollen hat seinen Preis, der bezahlt werden will! Als es dann während meiner Jahre zwischen Gehirntumor und Brustkrebs bei mir weniger gut lief, schlug deren Verhalten mir gegenüber um, in:  Du schon wieder! Jammere nicht herum! Selbstmitleid ist scheiße (ist es!). …

Zudem war ich eine Meisterin darin, mir selbst kräftig ins Gesicht zu schlagen. Ja, es nervte mich selbst ungemein, wenn ich völlig kraft- und perspektivlos in der Gegend rumstand und so gar nicht mehr hochkam. Trotz allem blieb ich eine, die nach dem Postkarten-Motto lebte:

hinfallen, aufstehen, aufrichten, Krönchen richten, lächeln, weitergehen.

Auch wenn es Zeiten gab, an denen es sehr sehr lange dauerte, bis ich das Krönchen wieder einigermaßen gerade auf meinem Kopf platziert hatte. Dabei rutschte es täglich hin und her und wieder herunter.

Bevor mich der Hirntumor zur Strecke brachte, wurde ich ausschließlich mitten im dicksten Stress ruhig, konnte erst dann klare und konstruktive Entscheidungen treffen, wobei mich stressfreie Zeiten total stressten. Wenn ich eins kann, dann ist es Krise. Das wollte ich für meine Zukunft ändern und nicht erst dann gute Entscheidungen treffen können, wenn ich wie ein Kaninchen vor der Flinte stehe, starr vor Anspannung und Angst.

In der Serie Sex And The City sagte die Figur Samantha einen für mich sehr klugen Satz, als sie sich nach der Chemo von ihrem Freund trennte.

Ich liebe Dich und Du bist mir unglaublich wichtig, aber es gibt einen Menschen, der mir wichtiger ist, das bin ich selbst!

Seit einiger Zeit  stresst es mich weniger, wenn mein Krönchen schief sitzt. Ist halt so! Ich stelle mich nicht mehr ständig infrage oder finde mich vollkommen nervig – anstrengend. Ich übe mich darin, mir selbst wichtig zu sein. Welch eine Ironie für meinen alten Freundeskreis.

Meine neue Lebenseinstellung wird durch die Yin Yoga Praxis gestützt. Dabei lasse ich mir von einer tollen Yoga-Lehrerin helfen. Yin Yoga erdet mich, stellt eine Verbindung zum Körper her und beruhigt meinen Geist. Ich lerne, mit mir und meinem Körper achtsam umzugehen und staune so oft, was er alles kann. Das  hilft mir beim Laufen. Ich lerne mit den Kräften zu haushalten und anders durchhalten:  in meinem Tempo und nicht irgendwie.

Yoga ist eine Lebenseinstellung: Ein Gespräch mit Alex.

Erst im Mai 2019 begann ich mit Yoga und nahm bei Dir Einzelunterricht. Ich würde mich eher als eine Sprinterin bezeichnen, als eine Marathon-Läuferin, daher entschied ich mich von Beginn an bewusst für Yin Yoga. Während unserer Zeit habe ich verstanden, dass Yoga so viel mehr ist, als sich nur zu bewegen. Wenn man sich darauf einlässt, ist es eine Reise zu sich selbst. Mir begegnen bis heute immer wieder die Worte von Siddhartha Gautama Buddha:

„Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“

Dank Deiner Unterstützung im Zusammenhang mit Yoga habe ich wieder zur körperlichen und seelischen Balance gefunden. Mich überrascht mein Körper immer noch, indem er mir zeigt, was er alles kann.

Was bedeutet Yoga für Dich?

Alex: Für mich ist Yoga keine Praxis, die nur auf einer Matte stattfindet oder auf einem Meditationskissen, sondern eine Haltung dem Leben gegenüber. Es ist gerade der Alltag und kein gesonderter Zeitraum in dem Yoga für mich stattfindet. Das Kind braucht ja immer einen Namen und so sei der Name Yoga. Yoga bedeutet im Moment zu sein, ganz bewusst, mit allem, was auftaucht, dem Hier und Jetzt ins Gesicht zu blicken, mit allen Emotionen und Gedanken, die da sind. Darin seine eigene Balance zu finden, sich selbst zu erkennen und darin Stärke und Sinn zu finden.

Eben genau durch diese Alltagstauglichkeit wollte ich es zu meinem Beruf machen. Es ergab einfach Sinn und ich unterrichte mittlerweile seit sechs Jahren.

Du hast bis Mitte November auch die Yogagruppe (in der ich selbst auch war) für Krebspatienten und chronisch Erkrankte geleitet. Alle Teilnehmer*innen sagten, nach der Yoga-Stunde geht es ihnen besser: sowohl körperlich als auch seelisch. Wie schaffst Du das, Dich auf uns so einzulassen, dass es uns allen gut geht?

Alex: Wenn ich etwas dazu beitragen konnte, damit es den Menschen in unserer Gruppe der Krebspatient(en)*innen besser nach der Praxis geht, ist das an mich selbst das größte Geschenk. Wer eine schwere Krankheit erfährt, entwickelt meist an einem gewissen Punkt eine große Bereitschaft im Hier und Jetzt zu sein und sich alles anzuschauen, was er bis jetzt unterdrückt hat. Das ist es, wofür ich den Raum geben möchte in diesen Stunden: Sich begegnen zu können, mit allen Dingen, egal wie unschön sie manchmal auftauchen. Und zu sehen, dass man nicht alleine ist und gesehen wird.

Wenn wir alle in diesen Stunden zusammen sind, ist es für mich das Wichtigste, mich ebenso authentisch als Mensch zu zeigen, auch wenn ich vor der Gruppe auf der Matte stehe. Dort schließt sich dann wieder der Kreis: Yoga findet für mich nicht nur auf der Matte statt, sondern ständig. Ich versuche jeden Einzelnen wirklich zu erkennen mit dem, was er mitbringt und diesen Menschen voll und ganz anzunehmen.

Ende des Jahres 2020 hast Du den mutigen Schritt gewagt und lebst seit November in einem anderen Land. Was wünschst Du Dir für die Zukunft?

Alex: Ich bin im November ins Kleinwalsertal gezogen, weil es 2020 auch bei mir ordentlich gerüttelt hat. Zurzeit versuche ich mein Leben mit neuen Augen zu sehen, um eventuell Festgefahrenes darin lösen zu können.

Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt. Im Moment kann man nicht lange im Voraus planen, sondern wird in Flexibilität und Geduld geprüft.

In der Arbeit mit Dir, das ist mir noch wichtig zu sagen, konnte ich ganz wunderbar an Deinem Beispiel erleben, was es bedeutet wirklich konsistent zu sein. Ich habe sehr viel mitgenommen aus diesen gemeinsamen Stunden und bin dafür sehr dankbar.

Liebe Alex, es geht mir nicht anders. Herzlichen Dank für die
gemeinsame Zeit mit Dir und für das Gespräch.

Frida!

Nicht auf die Sonne warten, sondern tanze im Regen, das ist einer meiner Lieblings-Postkartensprüche. Denn Regentage können so wunderschön sein.

Über 10 Jahre bestimmten andere, Schicksal, Krankheit und Tod mein Leben. Kaum war ich aus dem einen Minenfeld heraus, trat ich bereits ins nächste.
Dieses Jahr sollte alles anders werden. Ich wollte endlich nach vorne schauen, machte Pläne und dann kam 2020. COVID 19 kommt mir allerdings auf manchen Ebenen sehr entgegen. Das Virus macht es mir möglich, dass ich nun kollektiv in den Tag hinein leben und schlechte Laune haben kann. Ich muss nicht unbedingt wissen, wie es weitergeht. Denn das wissen wir gerade alle nicht so genau. Aktuell stehen wir gemeinsam in einem Minenfeld herum. Niemand weiß so recht, wann, wo und ob eine hochgehen wird. Diesmal ist es nicht meine alleinige Krise, sondern unsere Krise. Wenn ich wegen COVID 19 voll gejammert werde, antworte ich gerne:

Herzlich willkommen in meiner Welt!

Trotz allem gebe ich mich dem nicht mehr so oft hin und bin irgendwie immer wieder aufs Neue auf der Suche „Was mache ich denn jetzt?“  und „Wer bin ich heute?“ Auf alte Verhaltensweisen ist kaum noch Verlass und obendrauf will ich die meisten auch gar nicht mehr. Das neue Leben verunsichert mich. Daher betrete ich es, als wären um mich herum nur rohe Eier. Nichts ist verlässlich. Alles neu und trotzdem noch so vertraut. Vieles ist kostbar, aber auch so furchtbar leicht zerbrechlich.

Bei meinem letzten Aufräumen ist mir die Autobiografie „Ich habe alles gelebt“ von Peggy Guggenheim und das Kochbuch „Mexikanische Feste – die Fiestas der Frida Kahlo“ in die Hände gefallen und ich las beide Bücher einfach noch einmal. Was für zwei Leben! Was für Frauen! Für mich Vorbilder, wie man das Anderssein in allen möglichen Facetten leben kann. Beide pfiffen völlig auf gesellschaftliche Konventionen. Es interessierte sie nicht, was andere über sie dachten. Sie machten nur das, was für sie richtig war und das mit voller Leidenschaft. So wurden sie, jede in ihrer Art einzigartig, die Ikonen der Kunstszene des 20. Jahrhunderts.

Peggy Guggenheim, eine egozentrische Kunst-Mäzenin, die in ihrem Leben nur aus dem Vollen schöpfen konnte und es ohne Hindernisse bis zu ihrem Tod mit 81 in vollen Zügen genoss. Bereits in den 20er Jahren ging sie als junge Frau mit ihrem geerbten Geld nach Paris, um sich dort der Bohème hinzugeben. Sie war auf der Suche nach Intensität, nach Grenzüberschreitung und nach Schönheit. Seit den 40ern sammelte sie eher Männer, deren Kunst sie ausstellte und kaufte. So wurde sie zur umstrittenen und nicht immer ernst genommenen Kunst-Mäzenin des 20. Jahrhunderts. Selbst bezeichnete sie sich in einem Interview als eine befreite Frau. Ich kann nicht einmal sagen, dass ich diese Frau beim Lesen ihrer Autobiografie sympathisch fand. Okay, ihr Lebensstil war schon extrem cool, sowie die Zeitspanne und die Orte, wie Paris, Venedig, London oder New York, an denen ihr Leben stattfand, sind für mich nach wie vor fantastisch. Es gab schon sehr sehr viele Lese-Momente, da hätte ich sofort mein Leben gegen ihres eingetauscht. Sie besaß zudem eine gute Gesundheit, ausreichend Geld und vielleicht auch eine große Portion Oberflächlichkeit. Alles Zutaten, womit sie ihr Leben in vollen Zügen auskosten konnte.

Und dann ist da noch Frida Kahlo. Eine Künstlerin, die ihr Leben aus ihrem Innen heraus geschaffen hat. Die ihrem Leben so viel abtrotzte, wie es für sie möglich war. Sie war schön, intellektuell, leidenschaftlich und kraftvoll. Daher liebe ich ihre Fotografien so sehr, worauf sie uns bis heute würdevoll, aufrecht und stolz mit den ungesagten Worten „ICH BIN DA! GENAU IM HIER UND JETZT!“ anschaut. Leider wird sie seit einigen Jahren von der Merchandising-Industrie extrem verheizt. Aber auch auf den verunstalteten Kissen, T’Shirts, Kleidern oder Tassen verlieren ihr Blick und ihre Haltung nicht an Kraft. Heute noch, wird sie von so vielen Menschen verehrt. Wir alle wollen ein wenig Frida Kahlo sein. Ich selbst habe ein Bild von ihr in meiner Küche hängen. Ich sitze gegenüber am Tisch und arbeite dort. So habe ich sie ständig im Blick. Gerade während meiner pechschwarzen Zeiten ist Frida Kahlo eine Heilige für mich.
Im Gegensatz zu Peggy Guggenheim musste Frida Kahlo in ihrem Leben ständig übergroße Felsbrocken überwinden. Sie kam nicht aus reichem Hause und wurde in Mexiko geboren. Sowohl für die Kunst als auch als Frau, die sich ein unabhängiges und eigenständiges Leben wünscht, keine guten Voraussetzungen. Mit 6 Jahren erkrankte sie bereits an Kinderlähmung. Durch das Busunglück mit 18 Jahren wurde ihre Vita zu einer einzigen Krankengeschichte. Anschließend durchlebte sie in den darauffolgenden 29 Jahren mehr als 30 Operationen. Alkohol- und Drogensucht, Depressionen und das Leben mit den dauerhaften Schmerzen, schließlich Amputation des rechten Beins, ein eingeleitetes Lebensende mit 47 Jahren im Rollstuhl waren die weiteren Stationen ihres physischen und psychischen Martyriums.

Mit dem Malen begann sie bereits früh, zunächst als Zeitvertreib während des Liegens alleine in ihrem Krankenzimmer. Sie bemalte ihren Gips, soweit ihre Arme und Hände reichten. Frida Kahlo, die ursprünglich Ärztin werden wollte, verarbeitete ihre Leben auf ihre Weise über die Malerei. Viele ihrer bedeutenden Arbeiten sind erschütternde Gemälde voller Marter, Schönheit und Poesie. Mittlerweile ist ihre Malerei in der Kunstszene angekommen und daraus auch nicht mehr wegzudenken. Darüber hinaus ist sie in der ganzen Welt zur Ikone geworden.

Es wäre anmaßend, wenn ich mich mit Frida Kahlo vergleichen würde. Sie ist einfach nur eins: EINZIGARTIG! Indem Peggy Guggenheim nur aus dem Vollen schöpfen konnte, hat Frida Kahlo dem Leben alles abgerungen, was es ihr zu bieten gab.

Ich denke, wir wollen alle wie Frida Kahlo sein, aber das Leben von Peggy Guggenheim haben. So gehts mir. Ich wäre gerne als Frida Kahlo durch das Leben von Peggy Guggenheim spaziert. Aber geht das? Wäre Frida Kahlo ohne den Unfall nicht ein ganz anderer Mensch geworden? Vielleicht eine Ärztin, von der zumindest die Kunst-Welt nie etwas gehört und gesehen hätte. Ich spiele immer wieder gerne das Spiel, was wäre wenn? Auch Paul Auster tat es in seinem letzten Roman 4321. Eine DNA, vier verschiedene Ausgangssituationen und vier daraus resultierende unterschiedliche Leben. Ich musste oft beim Lesen aufpassen, damit sich diese vier Leben nicht miteinander vermischten. Zudem fragte ich mich ständig, war der eine Lebensverlauf wirklich besser als der andere? Trotzdem spiele ich dieses Spiel noch: Was wäre gewesen, wenn ich keinen Hirntumor gehabt hätte? Wenn mir die letzten 10 Jahre nicht vom Leben genommen worden wären? Im Prinzip dreht sich alles nur um eine einzige Frage: Hätte ich heute ohne all das Leid ein besseres Leben? Fakt ist, heute bin ich eine andere als damals. Aber ich kann nicht beurteilen, ob dies besser oder schlechter ist. Der Weg der letzten Jahre hat mich zu mir selbst geführt.

Im Yoga sagt man, nichts geht ohne Leid.

Was ich mit Frida Kahlo gemeinsam habe, ist das Leben selbst. Ich bin mir  sicher, egal was Peggy Guggenheim in ihrem Leben auch anstellte, um ein Mal diesen einen einzigartigen Moment zu erleben, bei dem man das Leben hautnah spürt, diesen Moment nie erleben durfte. Wir konsumieren das Leben nicht! Wir leben es! Hautnah und mit jeder noch so kleinen Faser. Das gilt sowohl für die dunklen Seiten, als auch für die hellen und schönen Momente. Es entsteht keine Intensität ohne Spannung. Kein Licht ohne Schatten. Keine Liebe ohne Schmerz. Wie soll ich die Sonne wertschätzen, wenn ich Dunkelheit, Sturm, Regen und Kälte nicht kenne? Fehlt der Schatten und somit die Spannung, fühlt sich irgendwann alles wie Pippi an. Schönes oder Menschen, die wir mal geliebt haben, werden für uns selbstverständlich.

Wie Frida Kahlo habe ich gelernt den Regen zu lieben und darin zu tanzen. Und wenn tatsächlich die Sonne aufgeht, dann ist es unbeschreiblich! Kommt man in unserer Situation nicht irgendwann dahinter im JETZT zu sein, kann sogar ein leichter schöner Sommerregen einen erschlagen. Menschen, die viel Leid, wie Frida Kahlo durchlebten oder noch durchleben, haben das den anderen voraus: Sie durchleben zwar mehr dunklen Zeiten als andere, bekommen aber dafür die Chance, im Regen zu tanzen und die Sonne hautnah zu spüren. Es ist völlig egal, was der andere alles hat. Der grüne Rasen von nebenan ist nicht schöner, als unsere bunte Kornblumenwiese.  Wir leben für die einzigartigen Momente, weil wir wissen, dass wir nichts festhalten oder kontrollieren können. Vielleicht haben wir kein langes, gesundes, geradliniges, gewohntes und etwas gelangweiltes Leben, welches mit Aktionen und Attraktionen gefüllt werden muss. Wir haben nur diese kraftvollen und intensiven Momente, wofür es sich jeden einzelnen Tag lohnt aufzustehen, auch wenn wir oftmals nicht wissen, wie das gehen soll. Aber genau das ist es, warum wir alle Frida Kahlo so lieben. Sie stand immer und immer wieder auf. Zeigte uns, wie schön das Leben ist. Sie versteckte ihre schlechten Zeiten nicht, lebte auch sie auf ihre einzigartige, würde- und kraftvolle Weise.

Ja, Frida Kahlo ist eine Heldin für mich!

Sie zeigt mir, dass wir nur dieses eine Leben haben. Mir wurden nicht die besten Voraussetzungen und Zutaten dafür bereitgestellt. Lebensvoraussetzungen hat niemand in der Hand. Wir werden mit einer DNA einfach in ein Leben hineingeboren und man verlangt von uns, damit zurechtzukommen. Und sicher! Das Leben kann so ungerecht sein. Aber trotzdem habe ich es in der Hand, was ich daraus mache.

# ANDY ENGEL TATTOO

Brust-Tattoo nach Brustkrebs: Ein Gespräch mit Andy Engel.

Andy Engel ist nicht nur in Deutschland (er wohnt und arbeitet in einem kleinen Ort in der Nähe von Würzburg) sehr gefragt, sondern wird von den besten und bekanntesten Tattoo Studios und Conventions, unter anderem in den USA, Spanien, England, Italien, Australien, China, Indien regelmäßig gebucht. Wenn jemand ein Tattoo von ihm persönlich gestochen haben möchte, muss sie/er bis zu 8 Jahre warten. Neben der Arbeit als Tätowierer gibt er Seminare und setzt sich für allgemeingültige Hygieneregelungen in Tattoo-Studios ein. Damit wäre für die meisten Menschen der Tag mehr als gefüllt, aber er findet noch Zeit für seine Leidenschaft als Schlagzeuger und spielt in einer Band. 2013 ging er mit seiner eigenen kleinen und selbstgefertigten Schmuckkollektion an den Start, die er selbst als Herzensangelegenheit bezeichnet und an die präzise Arbeit seines Vaters als Schmiedemeister erinnert. Der Vater von drei Kindern sei ein Familienmensch, sagt er von sich selbst. 

Wie kam es dazu, dass du dich neben deinem ausgefüllten Leben für Frauen nach einer Brustkrebserkrankung für eine Brustwarzenrekonstruktion engagierst und ihnen dadurch ein Stück verloren gegangenes Selbstvertrauen zurückgibst?

AE
Vor 13 Jahren kam eine Stammkundin, die den Brustkrebs hinter sich gebracht hatte und dabei ihre Brustwarze verlor, zu mir. Sie meinte, tätowiere mir eine neue Brustwarze. Zuerst habe ich mich gar nicht daran getraut. Die Haut hatte sich durch die OP, durch die Narben und Bestrahlungen sehr verändert. Ich wusste ja auch nicht, wie die angegriffene Haut auf eine Tätowierung, also auf die vielen kleinen Nadelstiche und Farben reagiert. Hinzu kommt, dass man die Narben berücksichtigen muss und wenn es nur eine Brustwarze ist, sie zu der anderen passt. All das musste ich bei meiner Arbeit in Betracht ziehen. Es ist etwas völlig anderes in eine gesunde Haut, ein Tattoo zu stechen. Aber wir beide sind es angegangen und sie war von dem Ergebnis so begeistert, dass sie damit zum Bayerischen Rundfunk gegangen ist und denen das Ergebnis präsentierte und meinte, das hat Andy Engel für mich getan. So begann alles.

Trotzdem hättest du sagen können, das Krebsthema passt nicht in dein Leben und warum sich damit belasten? Das war eine einmalige Sache; ich freue mich darüber, dass meine Kundin glücklich ist. Du bist jedoch einen anderen Weg gegangen. Warum?

AE
In meiner Vergangenheit habe ich bei Freunden und in der Familie einige Krebserkrankungen und Leidenswege miterlebt. Mit diesem Brustwarzen-Tattoo konnte ich einen Menschen wieder glücklich machen. Das hat mich sehr berührt. Auch das Vertrauen der Kundin mir gegenüber. Der Moment, in der eine Frau nach einer Brust OP die Bluse hochzieht, ist kein einfacher Moment für sie, aber ich erhalte ihr Vertrauen.

Durch die Aktion meiner Stammkundin bin ich mit Dr. med. Andreas Cramer – er arbeitet als Oberarzt in der Missioklinik in Würzburg – in Kontakt gekommen und habe dabei erfahren, wie wichtig eine schöne Brust für die Genesung nach solch einer Erkrankung ist. Obwohl seitens der Schulmedizin bereits viel passiert, damit sich die Frauen nach einer Brust OP und dem Krebstrauma wieder gut fühlen, haben sich Brustzentren, Kliniken und Ärzte mit fotorealistische Brustwarzen in 3 D noch nicht wirklich beschäftigt. Dr. Cramer hatte mich gefragt, ob ich dazu einen Vortrag an seiner Klinik halten würde. Und das tat ich dann auch. Daraus folgten weitere Gespräche mit anderen Ärzten und Klinken. So entstand von Mal zu Mal ein starkes Netzwerk. 2008 rief ich dann medbwk Brustwarzenrekonstruktion ins Leben.

Was ist besonders an medbwk?

AE
In den letzten Jahren hat sich das Netzwerk medbwk zu einer GmbH und Co KG entwickelt. Es kamen weitere Partner und Mitstreiter dazu. Zudem habe ich immer wieder Vorträge in Kliniken gehalten. Gemeinsam haben wir uns tiefer in das Thema hineingearbeitet – ich dadurch medizinisches Fachwissen erhalten. Heute ist medbwk eine fachlich kompetente und seriöse Anlaufstelle für Frauen, mit dem Wunsch nach einer Brustwarzenrekonstruktion. Da ich nicht selbst alle Brustwarzen stechen kann, haben wir über Schulungen Tätowierer in ganz Deutschland ausgebildet. Somit gibt es mittlerweile viele medbwk zertifizierte Studios, die nach den hohen Standards von medbwk eine Rekonstruktion für betroffene Frauen anbieten und ausführen können. In meinem Studio sind wir mit Lisa Smith und Maria Böhm mittlerweile zu dritt.

Gerade Frauen werden sich vor der Entscheidung für ein Tattoo nach ihrer Krebserkrankung viele Gedanken machen. Wie nimmst du ihnen beispielsweise ihre Sorgen in Bezug Verwendung der Farben, oder ob ihre Brust nach Operationen und einer möglichen Bestrahlung überhaupt für ein Tattoo geeignet ist und wie steht es um das Thema Hygiene?

AE
Ja, Hygiene ist den meisten Frauen sehr wichtig. Deshalb haben die Tätowierer von medbwk für jede Frau ein Package, in dem nur ihre Utensilien, sowie ihre Farben enthalten sind, die auch nur für sie verwendet werden. Wenn nach einigen Monaten noch einmal nachgestochen werden muss, liegen uns alle Unterlagen vor und es wird dafür auch wieder ein neues Package verwendet. Damit erreichen wir, neben allen anderen hygienischen Maßnahmen, einen höchstmöglichen Standard. Um weitere Hautirritationen zu verhindern, die oftmals durch die OPs und Therapien hervorgerufen wurden, benutzen wir eigene zertifizierte Farben. Alle unsere Tätowierer arbeiten nur mit hochwertigem Equipment.

Jede Brust hat anderes durchgemacht. Es sind Narben, die berücksichtigt werden müssen, eine bestrahlte Haut, Implantate und und und. Ich weiß, dass es auf jeden kleinsten Punkt ankommt, den ich mit der Farbe setze. Durch die Erfahrungen und Kommunikation mit den Kundinnen erzielen die zertifizierten Tätowierer und ich die bestmöglichen Ergebnisse. Unser Ziel ist, die verloren gegangene Lebensqualität so weit es geht, wieder zurückzugeben.

Im Laufe der Zeit wurden uns von den Frauen sehr viele Fragen gestellt, zum Beispiel: Darf ich mir mit einem Implantat die Brust tätowieren lassen? Was sind die Risiken? Darf man Narben tätowieren? Wie lange hält ein Tattoo? Darf ich damit in die Sonne? Wir haben sie gesammelt und auf die wichtigsten Fragen geben wir in Zusammenarbeit mit den Medizinern und unserem Team Antworten, die man auf der Website https://medbwk.de nachlesen kann.

Nicht alle Frauen können sich eine Brustwarzenrekonstruktion finanziell leisten. Jedoch übernehmen mittlerweile 60% der Krankenkassen alle Kosten. Auf unserer Homepage https://medbwk.de kann man völlig unverbindlich den Kostenvoranschlag für die Krankenkassen bei uns beantragen. Für persönliche Fragen oder wenn Hilfe für die Antragstellung benötigt wird, steht eine Mitarbeiterin von uns dafür zur Verfügung.

Man merkt, dass du und dein Team absolut mit dem Herzen dabei seid und es euch wichtig ist, dass es Betroffenen wieder gut geht oder wie eine Frau auf deiner Website treffend sagt: „Endlich fühle ich mich wieder ganz.“

AE
Wir Männer sollten uns da nichts vormachen. Wenn die Frau sich nicht wohlfühlt, haben wir Männer ein Riesenproblem. Frauen sind unser Motor.

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Andy Engel Tattoo
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8 1/2 Wochen

In der Nacht vom 20.09.2009 auf den 21.09.2009 landete ich mit extremen körperlichen Beschwerden in der Notaufnahme eines Hamburger Krankenhauses. Von dort aus wurde ich ohne physische Untersuchung auf direktem Weg in die Psychiatrie des Krankenhauses geschickt.

Zwei oder drei Tage später auf der Akutstation der Psychiatrie wurde ich dem Oberarzt vorgestellt, der den weiteren Weg für mich festlegen sollte. Bis dahin gab man mir starke Psychopharmaka (Diese Abteilung ist dafür bekannt, dass sie zu viele Psychopharmaka verteilt. Eine Patientin meinte mal böse im Raucherzimmer: Tavor verteilen die hier wie Smarties, Patienten fangen hier an zu rauchen, aber Alkohol zur Beruhigung ist für die Ärzte Sucht! Wie verlogen ist das denn?), sodass ich kaum aufrecht haltend auf dem Sitzplatz vor seinem Schreibtisch saß und seine Fragen mechanisch beantwortete. In kürzester Zeit und ohne physische Untersuchung diagnostizierte der Oberarzt eine Persönlichkeitsstörung und verlegte mich auf seine Station. Dort verbrachte ich 8 1/2 Wochen.

Es dauerte fast die Hälfte meines Aufenthalts auf dieser Station, bis ich für meine überaus aktive Bein-Motorik (die Beine krampften und zuckten unentwegt) einen akzeptablen Umgang damit und die Kraft gefunden hatte, mir zu überlegen: WAS MACH ICH JETZT? Zumal ich ja auch überhaupt nicht wusste, wohin und was jetzt. Mein Lebensplan lag in Scherben, meine Ehe war zu Ende (darauf ritten die Therapeuten immer sehr gerne herum). Zudem musste ich versuchen, dass der Aufenthalt nicht bekannt wurde, damit ich meiner Selbständigkeit weiter nachgehen und meine laufenden Projekte abschließen konnte (ich arbeitete in der Psychiatrie einfach heimlich weiter, teilte niemanden mit, wo ich war). Mein Entschluss, aus den Fängen der Psychiatrie zu kommen, also meine persönlich geplante Entlassung aus der Psychiatrie entpuppte sich als gar nicht leicht.

Ist man erst einmal auf Station übernehmen andere die Kontrolle über einen.

Denn ich war ja psychisch äußerst instabil und das wurde mir täglich in den Therapierunden erklärt. Für den Geschmack der Therapeuten hatte ich zu viel eigene Meinung, war Tablettenverweigerin und stellte mich quer bei den Therapien, stellte zu viele Fragen und kritisierte deren Vorgehensweise recht offen.

Irgendwann kam ich auf die Idee, vielleicht könnte man in einem allgemeinen Krankenhaus, in dem ich ja war, meinen körperlichen Beschwerden auf den Grund gehen und sprach bei einer der Ärztesprechstunden (die ein Mal in der Woche stattfanden) vor. Ich vergesse bis heute diesen arroganten Blick des Arztes nicht: „Ja Blut können wir Ihnen abnehmen, dazu haben wir aktuell jedoch keine Veranlassung. Wie kommen Sie auf ein Kopf-MRT? Weil meine Symptome auf MS oder gar Parkinson hinweisen! Und dann kamen im Von-Oben-herab-Blick gekoppelt mit einem Ton (der ansonsten von der Generation Großeltern für Kinder unter fünf angewendet wird, wenn sie etwas angestellt haben oder ein Wort verwenden, welches man nicht in den Mund nehmen darf) seine Worte: Meinen Sie wirklich, Sie können eine Diagnose stellen? Von diesem Moment an wusste ich, ich bin denen hier ausgeliefert. Von dieser Seite kann ich keine Hilfe erwarten. Denn die Ärzte und Therapeuten hatten ihr Urteilt über mich gefällt und wenn ich nicht mitmache, dann geht das hier für mich verdammt böse aus.

Von dem Tag an wurde ich zunehmend einsichtiger, beteiligte mich an den Therapien, erfand meine eigene Persönlichkeitsstörung und inszenierte meine Besserung davon. So nahm ich die Psychopharmaka jeden Abend entgegen und meinte, ich kann es ja mal versuchen (ich hatte das Glück, dass bei mir noch nicht kontrolliert wurde, ob ich sie auch schluckte, in diesem Stadium der Entmündigung war ich noch nicht angekommen) und warf sie anschließend ins Klo. Ich rollte während der konstruktiven Bewegungstherapie auf dem Bauch liegend über ein Kissen, anderen Patienten Murmel zu und sprach später in der Runde über meine Empfindungen und neuen Erfahren, die ich mir während des Murmelvorgangs ausgedacht hatte. Während der Musiktherapie schnappte ich mir jedes Mal die Rassel. Ich rasselte ab und an, klinkte mich während der gemeinsamen musikalischen Darbietung innerlich aus (denn wir alle hatten gar keine Instrumentenerfahrung oder eine Ausbildung darin) und sprach später darüber, wie viel Halt mir die Rassel gab. In der Morgenrunde sprach ich über meinen vergangenen Schlaf und abends über den bevorstehenden Schlaf. In der Gruppentherapie verhielt ich mich ruhig und in der Einzeltherapie kramte ich Geschichten aus meiner Kindheit hervor. Nachts riss ich mich zusammen und lief nicht mehr über die Flure. Ich ertrug meine Beine. In den wöchentlichen Abschlussgesprächen teilte ich der gesamten Therapeuten- und Ärztemannschaft mit, wie gut mir die Tabletten jetzt täten und wie viel ruhiger ich dadurch geworden bin und welche Fortschritte ich durch die Therapien machte.

Zudem zitierte ich meinen Mann zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem Arzt, damit er aussagte, dass wir beide es noch einmal miteinander versuchen werden, also ich eine Zukunft in der Außenwelt haben werde. Mein schwarzer Humor ließ mich die vielen Krisen und Verzweiflungsanfälle überstehen. Ich war damals (bin es heute noch) fassungslos, dass es wirklich funktionierte. Ich wurde Mitte November mit den Worten entlassen, dass ich gute Fortschritte gemacht hätte und auf einem guten Weg wäre.

Und weil ich es nicht oft genug sagen kann, da sowas einfach nicht passieren darf:  Ich wurde, obwohl ich 8 1/2 Wochen in einem allgemeinen Krankenhaus (Abteilung: Psychiatrie) war, physisch zu keinem Zeitpunkt untersucht. Meine Bitte, das nachzuholen, wurde abgewiesen. Mir wurde eine völlig unnötige Therapie aufgezwungen und damit ich überhaupt wieder entlassen werden konnte, machte ich nach vier Wochen scheinbar mit. Was die Ärzte (Psychiater) und Therapeuten nicht merkten, sondern mich noch ermunterten, so weiterzumachen: Ich sei auf einem guten Weg! Hätte ich diesen Ärzten vertraut, dann wäre ich heute tot. Ich wäre als PSYCHO gestorben. Vielleicht wäre man irgendwann doch noch auf die Idee eines MRT’s gekommen. Vielleicht? Aber ich denke eher nicht, so wie man auf dieser Station mit Psychopharmaka vollgestopft wurde, hätte man weiterhin alle meine physischen Symptome auf meine Psyche oder auf die Medikamente geschoben.

Auch wenn ich gesagt hätte, ich nehme diese Pillen gar nicht, wer hätte mir denn geglaubt? Wer hätte auf meiner Bitte hin und für den Beweis dafür, einen Bluttest gemacht? Wer schießt sich denn selbst ins Knie?

Im Herbst 2013 musste ich Hartz 4 anmelden, weil durch die vielen Fehleinschätzungen der vielen Ärzte und der dadurch sehr späten Kopf OPs im Jahr 2011 mein Leben, meine mentalen und körperlichen Kräfte einfach nicht mehr vorhanden waren, um mir ein neues Leben aufzubauen. Mein persönliches und berufliches Leben hatte ich 2010 in Hamburg gelassen. Meine Rücklagen waren verbraucht. Meine kleinen Projekte deckten meine Kosten nicht. Im Jahr der Diagnose wurde der Oberarzt (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie), der mich auf seine Station für 8 1/2 aufgenommen hatte, mir eine physische Untersuchung verweigerte und eine Persönlichkeitsstörung diagnostizierte, Chefarzt der Psychiatrie und das ist er bis heute.

Als ich 2013 bis 2014 versuchte, gegen die Behandlung in der Psychiatrie rechtlich vorzugehen, bekam ich kein Recht. Die Gegenseite zerpflückte alles in Einzelteile und setzte darauf, wie irre ich doch war. Die fehlende physische Untersuchung wurde schlichtweg und permanent ignoriert. Diese Anwälte der Versicherungen der Krankenhäuser und Ärzte sitzen das einfach aus, solange bis einem die Kraft für einen Kampf und das Geld dafür fehlen. Zudem fehlte mir der emotionale Abstand, um besser mit den Argumenten der Gegenseite umgehen zu können. Ich streckte irgendwann die Flügel.

Wenn mein innerer Schutzengel, mit seinen vielen tollen und unermüdlichen Gefährten: Trotz, Sturheit, Willenskraft, Intelligenz, Widerspruch, Skepsis, Misstrauen und Mut mir nicht zur Seite gestanden hätten, wäre ich als Irre gestorben. Niemand hätte sich die Mühe gemacht, die Wahrheit herauszufinden. Niemand hatte mir bis 2011, bis zur Diagnose geglaubt. Die Liste dieser Ärzte, Heilpraktiker, Heiler, Osteopathen und Alternativ-Medizinern aller Art ist sehr lang. Mein Exmann, meine Freunde und Familie glaubten mir sowieso nicht.

Ich hatte PSYCHO fett auf der Stirn stehen.

Es war ja für alle auch so unglaublich einfach: Reiß Dich mal zusammen. Du immer! Du hast ja immer was! Man muss auch wollen! Nimm endlich die Tabletten! Sicherlich waren Familie und Freunde nach der Diagnose Gehirntumor am Stammhirn etwas verhalten, aber dann schoss man sich darauf ein:

Woher hätten wir das denn wissen sollen? Die Ärzte haben Mist gebaut!

Aber auch wenn jemand Psycho ist, ist er doch immer noch ein Mensch, dem man respektvoll und menschlich begegnen kann. Hinter jedem Psycho steckt ein Mensch, wenn er könnte, würde er ganz bestimmt anders sein. Wenn er könnte!
Ich bekam im Jahr 2011 drei Entschuldigungen von drei Menschen, die alles richtig gemacht haben. Und das bedeutet mir bis heute unglaublich viel. Denn kein Geld der Welt kann die eigene innere Welt und die eigene Würde nach so einem Drama wieder heil machen, aber ein > Tut mir ehrlich leid < oder eine aufrichtige Entschuldigung können das. Denn dann weiß man, dass man richtig ist und spürt, der andere kann das große Leid sehen, was einem widerfahren ist. Er nimmt Anteil an diesem Leid.

In der Uniklinik Düsseldorf wurde ich wegen meiner körperlichen Beschwerden (in der Notaufnahme) auf Endstadium MS untersucht. Als der junge Arzt mir die Diagnose Gehirntumor (der Tumor am Stammhirn war gutartig und saß dort schon fast 12 Jahre, so deren Einschätzung) mitteilte, fragte er mich: Niemand hat bei Ihnen ein MRT in Erwägung gezogen, bei Ihren Symptomen? Ich verneinte. Er holte tief Luft, ließ sie langsam raus und sagte: Ich möchte mich in aller Form für meine Kollegen bei Ihnen entschuldigen. Das Gleiche haben meine beiden Operateure auf der Neurochirurgie gemacht. Sie entschuldigten sich für ihre Kollegen bei mir.

Dr. Chaddeh hatte es mit seinen Worten, bei unserer ersten Begegnung auf den Punkt gebracht. Er meinte damals, als er mich nach nicht einmal 10 Minuten auf direktem Weg mit einem Taxi in die Notaufnahme der Uniklinik schicken wollte, auf meinen Ausruf  > Wieso das denn jetzt? Ich bin eine Irre! <

„Frau Bach, man kann Läuse und Flöhe gleichzeitig haben, aber ich bin mir sicher. Sie haben nur Flöhe!“

Patientenverfügung: Ein Austausch mit Nina Hagen.

Erst vor meiner 2. Gehirn-OP im Jahr 2011 hatte ich an eine rechtlich abgesicherten Patientenverfügung gedacht. Ich wollte endlich selbst bestimmen und die Verantwortung nicht mehr anderen überlassen.
Denn als ich in der Nacht am 21. September 09 mit 44 Jahren über die Notaufnahme eines normalen Hamburger Krankenhauses ohne Untersuchung auf direktem Weg in der Psychiatrie landete, kam mir die Möglichkeit einer rechtlichen Absicherung gar nicht in den Sinn. Jedoch glaubte mir mit dem fetten Stempel Psycho auf meiner Stirn von diesem Tag an niemand mehr. Es ging zeitweise so weit, dass ich kurz vor einer Entmündigung stand, weil ich die vielen Psychopharmaka verweigerte. Und nur durch einen Zufall und eines Arztes, der mich auf mein Gangbild aufmerksam gemacht hatte, entdeckte man drei Jahre später den Gehirntumor am Stammhirn, die Ursache für all meiner Symptome. Heute wäre ich tot, wenn ich nicht völlig zufällig vor diesem Arzt hergelaufen wäre.

Vor der ersten Gehirn-OP hatte ich schnell eine Standard-Patientenverfügung aus dem Internet erstellt, die rechtlich gar nichts absicherte, weil zu allgemein. Während der Zeit auf der Intensivstation, an einem Beatmungsgerät hängend, mit einem Körper, der nichts mehr konnte, entschieden deshalb über Wochen andere für mich.

Wenn es richtig schlecht gelaufen wäre, hätten die Ärzte mich in ein Pflegeheim – in eine sogenannte Beatmung-WG verlegen müssen.

In den Jahren 2013 und 2014 leitete ich gegen die Psychiatrie rechtliche Schritte ein.
Ohne Erfolg. Seit dieser Zeit verfolge ich mit großem Interesse die Tätigkeit der Musikerin Nina Hagen, die sich als Schirmherrin von Patverfü.de mit den Worten „Für die Freiheit gegen Zwang“ in den Psychiatrien engagiert.

Zu ihrer Aussage möchte ich hinzufügen:

Behaltet Eure Rechte, wenn Ihr für Euch selbst nicht mehr eintreten könnt und andere die Verantwortung übernehmen müssen.

Im September 2020 hatte ich Nina Hagen angeschrieben.

In der Korrespondenz mit Nina Hagen erfährt man, wie wichtig es ist, als Patient seine Rechte zu behalten und wie eine Patientenverfügung dabei helfen kann.

Liebe Nina Hagen, seit 2014 verfolge ich Ihre ehrenamtliche Tätigkeit bezüglich der ungerechtfertigten Vorgehensweisen in Psychiatrien. Damals hatte ich versucht gegen eine Psychiatrie zu klagen und aufgegeben.

Liebe Petra, als Schirmfrau der www.PatVerfü.de weiß ich inzwischen sehr wohl, dass das, was Dir widerfahren ist, nur möglich war, wenn man vorher keine PatVerfü gemacht hat, und es ist leider die Regel.

Bevor Dir so was noch mal passieren könnte, empfehle ich Dir, Dich mit so einer speziellen Patientenverfügung mit eingebauter Vorsorgevollmacht zu schützen, siehe hier: mit allen Hinweisen, Formularen und Handbuch: https://www.patverfue.de Ich bin die Schirmfrau und habe eine ausführliche Erklärung dazu verfasst: https://www.patverfue.de/nina-hagen-ueber-die-patverfue

Du schreibst: „Man verschaffte mich ohne physische Untersuchung und ohne Kopf MRT über die Notaufnahme auf dem direkten Weg in die Psychiatrie. Den Grund für meine körperlichen und seelischen Symptome war jedoch ein übergroßer Gehirntumor am Stammhirn, der erst im Mai 2011 entdeckt wurde.“

Du schreibst: „Diese Anwälte sitzen das einfach aus, solange bis einem die Kraft für einen Kampf und das Geld dafür fehlen.“

 N.H.: Das ist ganz typisch, weil dadurch, dass du keine PatVerfü hattest, sie die Einweisung auch durch einen richterlichen Beschluss einsegnen lassen können, und dann hast du rechtlich so gut wie keine Chance mehr, weil dann nur noch medizinische Argumente gelten. Die Richter machen es sich einfach und sagen:

„Ich hab keine Ahnung, also folge ich dem, was die gutachtende Ärzte sagen.“

Du schreibst: Bei dem Versuch gegen die Psychiatrie zu klagen, hat mir die Deutsche Hirntumorhilfe erzählt, dass Menschen, mit unentdeckten Tumoren häufig in der Psychiatrie landen, weil sich Neurologen und Psychiater mit Hirntumoren nicht auskennen. Sie stützen sich ausschließlich auf die psychischen Symptome und so geht es dann oft ohne Kopf-MRT ab in die Psychiatrie. Hat man erst einmal den Stempel Psycho interessiert sich auch danach niemand mehr für physische Symptome. Eben!

N.H.: Hätten sie eine PatVerfü, ginge das nicht mehr – deshalb vielleicht der Hirntumorhilfe mal einen Hinweis auf die PatVerfü geben? Solange nur neurologische Ärzte behandeln, geht alles nur mit der Zustimmung der Patientin. Nur Psychiater sind gewohnt, Zwang anzuwenden.

Du schreibst: „Hätte ich auf die Ärzte in der Psychiatrie gehört, mich auf deren Tabletten-Therapien eingelassen, wäre ich heute tot. Ein trauriger und elendiger Tod.“

N.H.: Eben, besser mit einer PatVerfü vorsorgen!

Sei lieb ganz doll lieb gedrückt von Nina Hagen

Informationen

patVerfü.de  

 

Aufgeben gilt nicht!

Bevor ich nach Sardinien flog, hatte ich mir für die Zeit dort ein kleines ambitioniertes Sportprogramm zurechtgelegt. Wegen der vielen Rückschläge wollte ich das Lauftraining und meine Yoga-Übungen nicht schon wieder unterbrechen. Ich hatte zwar noch genügend Zeit  bis zum Marathon, aber wenn ich in diesem Schneckentempo weitermache, brauche ich für die 10 KM mindestens zwei Stunden.

Der Kenianer Eliud Kipchoge hat für 42,195 Kilometer in Wien 1:59:40 Stunden gebraucht.

Nur so als Beispiel! Richtlinie! Zielsetzung! Ansporn!

Okay, der Vergleich hinkt. Er ist absoluter Profi, läuft seit Jahrzehnten und hatte für diesen Rekord ein sehr großes Team dabei, welches sich um ihn kümmerte und anspornte. Mann, ich wäre schon echt froh, wenn ich die 10 KM in einer Stunde hinbekomme. Im Hintergrund höre ich bereits Stimmen der alten genervten und ungeduldigen Petra: Dann mach doch endlich! Hintern hoch! Höre auf zu jammern! Stell Dich nicht so an! Mein Vorhaben Laufen spiegelt eins zu eins mein Vorhaben Leben wider.

Es gibt Tage, da klappt alles großartig. Meine vorgenommene Strecke schaffe ich fast mühelos. Mir gehts gut. Ich mache wieder Pläne für mein Training und für das Leben. Gefühlt gehts aufwärts. Frohen Mutes glaube ich ernsthaft daran, dass ich meinen Platz in diesem Leben wieder finden werde. Meine 10 KM in zwei Jahren schaffen werde. Und dann! Aus heiterem Himmel: BÄHHMM! Der Rückschlag! Irgendwas ist immer. Körper, Geist und Seele sind sich leider immer noch viel zu selten einig. Ständig gerate ich an irgendeiner Stelle aus dem Takt. Das Konstrukt Petra ist eine sehr instabile Angelegenheit.

Das komplette Gegenteil von früher! Da trugen mich die plumpen Sprüche: Nur die Harten kommen in den Garten.

Was mich nicht umbringt, macht mich nur noch härter. 

Ich konnte mit Weicheiern, so wie ich heute eins bin, überhaupt nicht umgehen. Und ehrlich, ich kann überhaupt nicht mit mir umgehen: Dieses ständige ins Loch fallen und wieder da herauskrabbeln müssen. Manchmal bekomme ich es kompensiert, manchmal verdränge ich es einfach und dann kommen auch wieder die Tage, da geht absolut gar nichts. Gleichzeitig setzt die Verzweiflung ein und die Hoffnungslosigkeit, irgendwann einmal wirklich wieder einen Platz in diesem Leben zu haben. Ich weiß, man heilt nicht linear, sondern in Wellen. Mal gehts aufwärts, dann wieder rückwärts. Und wieder ein Stück aufwärts, dann wieder rückwärts. …

Sardinien hat mir mein kleines sportliches Vorhaben umzusetzen sehr leicht gemacht. Ich fand einen wunderschönen Ort vor. Gleich am nächsten Tag bin ich zum hauseigenen Strand gelaufen und hatte die gesamte Bucht am Meer entlang geschafft. Am nächsten Tag schloss ich mich heimlich einer Gruppe an und bin ihr nach, was auch gut gelaufen ist. Das Jippiieee am Ende derer Runde und der dazugehörige Luftsprung, beides ließ ich einfach ausfallen. War mir dann doch zu doof. Gegen Mittag hatte ich mein kleines Yoga-Training umgesetzt und am späten Nachmittag schwamm ich im herrlichen Meer. Es klappte alles unglaublich gut.

Am 5. Tag saß ich zum Trocknen am Strand und dachte, Wow, endlich klappt mal was! Du ziehst es durch! Ich sollte wirklich damit aufhören, sowas zu denken oder überhaupt daran zu denken, alles wird vielleicht doch noch gut! Ich schaffe das! Es wird! Am Abend hustete meine Tischnachbarin beim Abendessen quer über den Tisch und meinte, die scheiß Bronchitis hat sie sich aus Deutschland mitgebracht. Während des gesamten Abendessens hustete und prustet sie vor sich hin. Der nächste Tag klappte noch echt gut.

Aber ab dem 07. Tag war es dann doch vorbei. Ich trat auf die Bremse. Mein Kopf schmerzte und im Hals fing es an. Trotzdem bin ich bis zum letzten Tag morgens vor dem Frühstück an den Strand und bin meine Strecke zwar nicht gejoggt, aber immerhin gewalkt. Mit den Füßen im Wasser, freute ich mich über die drei älteren Italiener, denen ich seit dem ersten Tag dort begegnet bin und dachte mir, ja eigentlich machen die es richtig. Sie genießen diesen Weg und das Wasser. Oft standen sie auf meinem Rückweg mitten im Meer und diskutierten lautstark, was ich so gerne beobachtet. Ich machte es ihnen nach, saß nach meinem Gang noch am Strand und schaute auf das unfassbare schöne Meer in der unfassbar schönen Bucht. Yoga ließ ich ausfallen (machte nur noch kleine Gleichgewichtsübungen) und das Schwimmen auch.

Leider konnte ich die Erkältung nicht abwenden und nahm sie mit nach Hause. Einen Trost hatte ich dann aber doch, denn mein Immunsystem ist genauso gut oder schlecht, wie von den anderen am Tisch. Es hatte uns alle erwischt!