Brüste, Melonen, Möpse

Fast alle Männer träumen davon. Frauen wollen sie in der Regel haben. Werbeplakate und -spots sind voll damit: perfekte Brüste! Große, knackige, runde, pralle, kleine, falsche. Hauptsache: PERFEKT! Was auch immer das heißen mag.

Wir Frauen sind viel zu selten glücklich, mit dem was wir haben. Zu klein sind sie, zu groß, zu hängend. Der Garten von nebenan ist immer etwas grüner: haben wir bereits die perfekten Brüste, gibt es mit absoluter Sicherheit eine Frau, die schönere hat. Und wenn halt nicht im Gesamtbild, dann zerlegt in kleinteilige Nuancen: die andere hat eine schönere Hautfarbe, etwas bessere Rundungen, die ideale Größe (obwohl gleich groß, wie die eigenen). Es gibt kilometerlange Gründe, um sich herunterzuziehen.

Kein Mann dieser Welt würde sich derart selbst infrage stellen.

Ich konnte bis zu meiner Mastektomie (Brustamputation) im letzten Jahr mein eigenes Brustthema nicht mit buddhistischer Gelassenheit begegnen. Ich mochte meine Brüste einfach nicht. Sie waren sowohl für meinen Körper (TWIGGY) als auch für meinen Bewegungsdrang zu groß. Ich habe bis heute meinen Basketballtrainer (Franzose) aus der Jugendzeit im Ohr: „Petra, laufen, laufen und jetzt springen und setz den Ball in den Korb!“ (dabei muss man sich seinen charmanten französischen Akzent vorstellen: schneller, schneller und hoch jetzt!). Fröhliches Gegröle bei den Jungs. Niemand interessierte sich dafür, dass ich den Ball versenkt hatte.

Da Twiggy immer noch die Modewelt bestimmte, gab es während meiner Jugend oder später für mich als junge Frau nur schreckliche Oma-Panzer (die man auch noch umnähen und anpassen musste) anstelle von sexy oder sportliche BH’s für meine Figur. Kleider gingen gar nicht, weil oben zu eng und unten zu weit. In den 80ern hatte ich für sehr sehr lange Zeit den Spitznamen Pam (Die Figur Pamela Ewing aus der amerikanischen Serie Dallas). Und sie trug meistens das, was ich absolut hasste: (zum Beispiel) engen Pulli zu engen Jeans. Mit den 80ern kamen auch die schrecklichen Schulterpolster. Aber war das wirklich von Vorteil? Auch damit machte ich mich zum Affen.

Als mir mein Arzt letztes Jahr vorschlug, eine beidseitige Mastektomie vorzunehmen, konnte ich nur freudig zustimmen und haben zusätzlich hart dafür gekämpft zwei Körbchengrößen kleiner zu bekommen. Es hätten auch drei oder vier sein können. Aber darauf ließ er sich nicht ein. Mir hatte die Diagnose Brustkrebs somit auch ein großes Lebensgeschenk gemacht: Freiheit.

Ich fühle mich endlich wohl mit meinen Brüsten! Später in der Onkologie stellte ich fest, dass ich ziemlich alleine mit meinem Wohlbefinden dastand, die mir die neuen Brüste (eine neue Freiheit) bescherten. Viele Frauen haben komplizierte OP’s über sich ergehen lassen, damit die Brust erhalten bleibt. Sie kämpften regelrecht, um den Erhalt ihrer Brust. Der Garten der anderen war plötzlich nicht mehr grüner, sondern der eigene Garten wunderschön. Und der sollte plötzlich rüde zerstört oder gar beseitigt werden.

Liebe Frauen, unsere Brüste sind alle wunderschön: die großen, die kleinen, die prallen, die nicht mehr vorhandenen, die operierten, die alternden, die jungen, die hängenden. Mit großen, kleinen, dicken und fast nicht sichtbaren Narben.

Ich habe mir 40 Jahre lang das Leben mit meinen Brüsten zur Hölle gemacht. Okay, mir ist meine Entscheidung, sie zu entfernen nicht schwergefallen. Damit hatte ich gegenüber sehr vielen Frauen einen ganz klaren Vorteil. Aber HALLO! 40 Jahre für nichts! Weil die Natur mit mir etwas anderes vorhatte, als meinem Selbstbild zu entsprechen. Und jetzt, kein ABER …. WIR SIND SCHÖN! WEIL WIR, WIR SIND! JEDE IST FÜR SICH EINZIGARTIG. Uns gibt es nur in dieser einen Version auf der Welt.

Wenn wir uns nicht mit dem Herzen sehen und uns von Äußerlichkeiten, von Werbeplakaten, anderen Frauen, oberflächlichen oder sexistischen Männern beeindrucken lassen, dann verleugnen wir uns selbst. Das ist doch sehr schade. Denn das verstellt uns den Blick. Wir sehen dann nur das Schlechte, dass was uns genommen wurde und nicht das Geschenk, welches wir erhalten haben: gewonnene Lebenszeit!

Vielleicht sind wir nicht mehr ganz so perfekt wie vorher. Aber dafür vielleicht besser oder einfach nur anders schön. Gestern habe ich mit einem Floristen über meine Bertha (eine Kaktee, die sehr krumm wächst) gesprochen. Ich wollte, dass sie wieder gerade wird. Er meinte: „Warum? Die Natur hat etwas anderes mit ihr vor. Ist doch schön! Sie wächst, wie sie will.“ Ja, jetzt, wo ich Bertha mit seinen Augen sehe. Ja, meine Bertha ist etwas ganz besonderes.